Ich genieße jeden Tag in der Einsamkeit, drehe jeden Tag eine große Runde mit Cinder und Duke durch die traumhafte Natur, arbeite mit den anderen Pferden oder im Garten, brettere mit dem ATV durch unwegsames Gelände, koche in der wunderbaren Küche von Doug und Pat, nehme mein Sportprogramm wieder auf und verbringe ruhige Abende vor dem Kamin. Eigentlich ziemlich perfekt…
Nach 20 toten Hühnern jetzt auch noch der Hund?
Ein absolutes Highlight erlebe ich bei einem weiteren Ritt mit Cinder und Duke. Auf einem breiten Waldweg stoppen wir als wir rund 200 Meter entfernt einen Bären entdecken, der am Wegesrand steht. Als er uns erblickt, dreht er sich um und tapst zurück in das Dickicht. Einige Sekunden später ist er wieder da und kreuzt den Weg gefolgt von einem Bärenjungen. Ganz verzückt beobachte ich das Ganze von dem sicheren Rücken meines Pferdes. Den beiden folgt ein zweites Junges und dann kommt noch ein drittes aus dem dunklen Wald hervor. Ich bin ganz gebannt und unheimlich dankbar, dass ich das erleben darf. Kurz unkonzentriert ergreift Duke seine Chance und hetzt hinter der Bärenmutter und ihren Babys hinter mir. Mir bleibt das Herz stehen, ich brülle nach ihm, doch er ist bereits im Unterholz verschwunden. Ich bin absolut überfordert und weiß nicht, was ich machen soll. In meinem Kopf gehe ich bereits das nächste Telefonat mit Doug und Pat durch, in dem ich ihnen nun berichten muss, dass nach den 20 Hühnern nun auch der Hund tot ist – zerfleischt von einer Bärenmutter. Doch rund fünf Minuten später bricht Duke abgehetzt aus dem Wald heraus und ich bin zutiefst erleichtert.
Meine kanadischen Eltern kehren zurück
In der Zeit, die ich alleine auf der Farm verbringe, sehe ich insgesamt 10 Bären, zum Glück alle aus sicherer Entfernung und denke manchmal sehnsüchtig an Deutschland, wo die größte Gefahr im Wald ein Wildschwein ist. Doch das Landleben in Kanada gefällt mir – sehr! Und ich bin mehr als dankbar, dass ich diese besondere Erfahrung des Alleinseins dort machen darf. Still und heimlich plane ich schon, dass es auf jeden Fall ein zweites Mal auf der Farm geben muss. Ich freue mich richtig, als die Zwei nach ihrem 14-tägigen Urlaub wieder zurück sind und auch gleich ein befreundetes Pärchen mitbringen. Die Tage verbringe ich nun wieder mit Doug draußen, wir hacken Holz (oder lassen das Holz von der Maschine hacken), erneuern die Zäune rund um den Besitz und donnern mit den ATVs durch den Wald. An den Abenden genieße ich das wunderbare Essen von Pat und danach spielen wir meist eine Runde Karten am großen Küchentisch. Langsam plane ich auch meine Weiterreise und entschließe mich, die letzten Wochen meiner Weltreise nochmal in der Wärme – genauer zurück in Zentralamerika – zu verbringen. Grob fasse ich Guatemala, Belize und Mexiko ins Auge und kontaktiere für weitere Tipps Kieran, ein Neuseeländer, den ich auf den San Blas-Inseln kennengelernt habe und der immer noch in Zentralamerika unterwegs ist. Und wie es manchmal so ist: Unsere Pläne passen gut zusammen und wir beschließen, dass wir uns in Guatemala treffen werden. Wenige Tage mache ich alles fix: ich buche meinen Flug nach Guatemala City und, es kostet mich riesige Überwindung, meinen Rückflug nach Hause. Nun das Ende des Abenteuers ein genaues Datum: Am 10. November wird mich der Flieger direkt von Cancun nach Frankfurt bringen. Uff!
Letzter Stop: Vancouver – again!
Mein letzter Abend mit Pat und Doug ein toller: Wir sind bei Freunden zum Dinner eingeladen und speisen fürstlich. Ich merke, dass es mir schwer fallen wird, die beiden und all meine Tiere zurück zu lassen. Doch das ist nun mal das Reise-Leben! Am nächsten Morgen nehme ich Abschied von Pat und all meinen Vierbeinern bevor mit Doug zum Greyhound-Bus bringt.
Nach knapp acht Stunden erreiche ich endlich, mal wieder, Vancouver. Fühlt sich fast schon wie ein Zuhause an. Dort erwartet mich am Busbahnhof Dot, den ich in Ecuador kennengelernt habe. Wir verbringen einen letzten tollen Abend in VAN City, bevor es am nächsten Morgen für mich über Denver nach Guatemala City geht.